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Undine Stiwich

Traditionelle Hochzeitsbräuche im Wendland

13.11.2018 · Wofür muss gesorgt werden, damit bei einer traditionellen Hochzeit im Wendland alles glatt läuft? Sagenexpertin Undine Stiwich schildert Rituale und Bräuche rund um das Thema Trauung.

Autorin: Undine Stiwich, Sagen­ex­pertin, Stadt­ar­chi­varin und Muse­ums­lei­terin des Amts­turms Lüchow

Die Hoch­zeit dauerte in der Regel 1 Woche. Niemals wurde bei abneh­menden Mond gehei­ratet, sonst ging es mit der Wirt­schaft rück­wärts. Einen Tag vor der Hoch­zeit, meist am Donnerstag, wurden im ganzen Haus die Spiegel verhängt, denn wer vor der Hoch­zeit oder sogar in der Hoch­zeits­tracht in den Spiegel sah, beschwor den Tod herauf.

Hochzeitsmahl

Zu einer Hoch­zeit wurden in der Regel 2 Ochsen, zwei Schweine, mehrere Schafe und Kälber, zwanzig bis dreißig Hühner geschlachtet. 200–300 Butter­ku­chen und Zucker­kringel, Brot­ge­bäck und Päpernöet und Kössen­kuwwel (Weiß­brot) wurden geba­cken. Die Ochsen wurden für den Weg zum Schlachter mit Kränzen geschmückt. Dieses deutet auf eins­tige Opfer­be­deu­tung hin, wie sie auch noch im wend­län­di­schen Toten­brauchtum erkennbar sind.

Ankleideprozedur der Braut

Flyer zu wendi­schen Trachten

Das „Antre­cken“ der Braut dauerte Stunden, meist begann man schon in der Frühe um 5 Uhr. Wichtig war, das alles in Ruhe geschah. Um einen gesunden Kinder­segen zu erhalten, wurde der Braut Hanf ums Bein gebunden und Lein­samen in die Schuhe gestreut. Die Braut drehte in das Hals­tuch des Bräu­ti­gams ein Stöck­chen ein, er wurde sie niemals schlagen. Stammte die Braut nicht aus dem glei­chen Dorf wie der Bräu­tigam, wurde sie mit der Mitgift auf den Schap­pen­wagen geladen. Doch vorher ging der Bräu­tigam mit seiner Braut noch einmal durch alle Räume ihres Eltern­hauses. Die „Toukie­kers“ Zuschauer bekamen ein Getränk gereicht, das nannte sich „Brann­wi­en­ko­schoal“, es bestand aus Braun­bier und Brannt­wein, Zucker und Kuchen.

Der Hochzeitszug

Auf dem ersten Wagen saß die Braut. Es folgten im nächsten Wagen die Musi­kanten, dann der des Braut­va­ters und der Korf­möhn oder Oll Wäsch. Ihre Aufgabe bestand darin, den Kindern, die Stricke über den Weg spannten, Pfef­fer­nüsse zuzu­werfen. Eine wilde Reiter­schar, juch­zend und die Schnaps­fla­sche schwin­gend, umkreiste den Wagen der Braut. Die „Berie­ders“, wie diese wilde Horde genannt wurde, bildete den magi­schen Kreis, der als Abwehr­kraft gegen böse Geister gedeutet werden kann, speziell wäre die Braut gegen den „bösen Blick“ geschützt. An der Gemar­kungs­grenze hielt der Wagenzug. Der Bräu­tigam stieg vom hinteren, der Führer vom vorderen hinunter. Auf die Frage:„Jungfer Brut, wer föhrt di?“, antwor­tete sie „God un good Lü“. Dem Führer warf sie ein Trink­geld in den Hut und natür­lich durfte ein guter Schluck nicht fehlen.

Kräftemessen

Kurz vor dem Dorf fochten die „Berie­ders“ ein Wett­rennen aus, der Sieger erhielt eine Wurst. Nach Ankunft auf dem Hof schafften als erstes die Verwandten das von der Braut mitge­brachte Bett­zeug ins Schlaf­zimmer. Inzwi­schen hatten sich alle Gäste einge­funden. Als Hoch­zeits­ge­schenk brachte jede Familie Geflügel, Eier und Butter mit. Mit Sack und Pack reisten sie an und schlugen ihr Lager in den Scheunen auf, denn es galt ja eine lange Hoch­zeit zu feiern.

Kirche

Der Kirch­gang und die Trauung waren auch mit allerlei Bräu­chen verbunden. Auf dem Weg zur Kirche fasste sich das Braut­paar an die Hand. Wer seine Hand oben hielt, hatte das Sagen in der Ehe. Auf keinen Fall durfte das Paar sich umdrehen, sonst schaut man auch nach anderen. Sah das Braut­paar in der Kirche sich um, bedeu­tete es Tod. Wenn die Frisch­ver­mählten aus der Kirche kamen, bildeten die Hoch­zeits­gäste einen magi­schen Kreis um beide. Das lässt die bösen Geister draußen, nur das Gute sollte bestehen. Die Trau­patin war meist eine ältere Frau aus der Familie. Sie umkreiste das Paar drei Mal und bewarf sie mit Lein­samen, das bedeutet Kinder­segen. Sie übergab einen Korb mit Früchten des Feldes, Gemüse und Obst. Es soll nicht nur Frucht­bar­keit für den Garten und das Feld bedeuten, sondern auch Glück für die Ehe.

Hochzeitshaus

Mit Musik wurden Braut und Bräu­tigam zum Hoch­zeits­haus begleitet. Vor der verschlos­senen Tür klopften sie an. Von drinnen wurde gefragt: „Wer da?“ „Gott un good Lü“, antwor­tete das Paar, erst dann wurde die Tür geöffnet. Der Bräu­tigam trug die Braut über die Schwelle. Oder aber, sie sprang dem Bräu­tigam in die Arme. Dabei durfte sie keinen Fuß auf die Erde setzen. Unter oder auch auf der Schwelle lag eine Axt mit Stroh bedeckt, die Schärfe zeigte nach außen. Jedes Böse wurde dadurch abge­wehrt. Auf keinen Fall durfte der Bräu­tigam auf die Axt treten, denn dann würde sich das Gute zum Bösen wenden.

Auf der Diele wartete schon die Trau­patin. Sie hatte in den Händen 4 bren­nende Kerzen. Zunächst dreht sie den Bräu­tigam 3 x um sich selbst, danach die Braut. Abwehr­be­deu­tung gegen Dämonen. Sie reichte beiden drei Tage altes Brot, dazu Salz. Mit dem Spei­chel mussten sie das Brot anfeuchten und ins Salz tupfen und natür­lich aufessen. Zum Herun­ter­spülen wurde Braun­bier gereicht. Dann nahm sie dem Paar das Verspre­chen ab, immer gut zuein­ander zu sein und bei Problemen zuerst mit ihr zu sprechen.

Schließ­lich wurden vor dem Hoch­zeits­mahl alle Tiere des Hofes gefüt­tert. Um die Haus­geister zu beru­higen, gingen die Vermählten Hand in Hand, von der Wand abge­wandt, in jede Ecke des Hauses. Danach wurden gemeinsam die Spiegel enthüllt und endlich durften sich beide im Spiegel betrachten. Erst wenn alles so erle­digt war, konnte das Hoch­zeits­mahl einge­nommen werden.

Wesenszüge der Wendländer

Die Wend­länder – wie waren sie? Die grund­le­genden Wesens­züge des Wend­län­ders liegen in seiner Spar­sam­keit, seinem Stolz, seinem Fleiß und der Genau­ig­keit seiner Arbeit. Ihm wird aber auch Zorn. Protz und Egoismus nach­ge­sagt. Er ist schnell mit dem „Du” bei der Hand, wenn ihm jemand gefällt. Jedoch ist das Wich­tigste für ihn aber die Gast­lich­keit. Wenn er im tägli­chen Leben, fast bis zum Geiz, sparsam ist, gibt er dem Besuch alles, was er aufti­schen kann. Da wird zum Essen die beste Flasche aus dem Schapp geholt. Bei einer Hoch­zeit gibt er zu Bewir­tung meist mehr aus, als er verkraften kann. So ist schon mancher Bauer nach den Feier­lich­keiten total verschuldet.

Wett­be­werb und Ehrgeiz liegen dicht beiein­ander. Wenn sich einer der Bauern einen besseren Pfer­de­wagen zulegte, war es klar, man eiferte ihm nach. Der nach außen gezeigte Stolz wird im vertrauten Kreis abge­legt. Der Bauer ist der erste unter seines­glei­chen auf dem Hof. Knechte und Mägde gehören zur Familie, wie die eigenen Kinder. 

An der Klei­dung kommt jedoch wieder das Prot­zige durch, grelle Farben und bunte Stoffe hoben die Wend­län­de­rinnen von allen Frauen ab. Sie liebten ein grelles lila und grün, blau und gold.  Lügen gab es nicht, wenn – wurde mit gekreuzten Fingern auf dem Rücken abge­blitzt, somit war es keine Lüge. Bei Gericht verfuhr man ebenso und war sich somit keiner Lügen bewusst. Zu belegen: die höchste Quote von Mein­eiden gab es im Wend­land. Der Aber­glaube in Verbin­dung mit dem kirch­li­chen Glauben stand bei den Wend­län­dern im Vorder­grund. Bezeich­nend ist das Urteil einer Elbtal­bäuerin. „Die Wend­schen mit ähr Hexen un Zanzeleien, dat moak wie nich mit“.

Quellen

Meine Berichte und Erzäh­lungen beruhen viel­fach auf münd­li­chen Über­lie­fe­rungen. Gleich­zeitig habe ich zur Ausar­bei­tung Volks­brauch und Volks­glaube des Hanno­ver­schen Wend­lands von Schwebe und das Hanno­ver­sche Wend­land von Hennings, Tetzner – Die Slawen in Deutsch­land, Vieth – Wendi­scher Aber­glaube und natür­lich Muka – die Lüne­burger Wenden – zu Rate gezogen.

Quizfrage: Was liegt unter der Schwelle im wendländischen Hochzeitshaus?
eine Axt
ein silberne Münze
ein Amulett

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