
Wendische Kultur und dravänopolabische Sprache
19.11.2018 · Martin Fricke, Journalist und Buchautor, führt uns in die Welt der Wenden. Er beschreibt ihre Arbeits- und Lebenswelt und klärt über die ausgestorbene dravänopolabische Sprache auf.
Interview mit Martin Fricke
Interview mit Martin Fricke, Wendischer Freundes- und Arbeitskreises e.V.
Autorin: Antje Hinz
Martin Fricke hat lange in Schleswig-Holstein gelebt, bevor er nach seiner Pensionierung ins Wendland kam. Er hatte zuvor viele Jahre bei den Lübecker Nachrichten als Lokalredakteur gearbeitet, u. a. in Oldenburg. Dort gibt es eine mittelalterliche Slawenburg, den Oldenburger Burgwall, der für den Ort Namensgeber war: Starigard – alte Burg. So kam Fricke mit der slawischen Kultur und Geschichte in Berührung.
Faszination Wenden

Seit vielen Jahren schon ziehen die Slawen Martin Fricke in Bann, insbesondere die Wenden, die im deutsch-slawischen Grenzbereich heimisch waren. Fricke hat sich intensiv mit ihrer Sprache und Kultur beschäftigt und ein informatives und kurzweiliges Buch geschrieben: „Die Wenden! Eine kleine Einführung in die Geschichte unserer anderen Ahnen.“
Verschiedene slawische Volksstämme
Im Interview klärt Fricke sachkundig über die verschiedenen slawischen Stämme auf: die Wenden, Sorben und Obotriten, Drawehnen, Dravänopolaben und Kaschuben. Er bringt Ordnung in die Begrifflichkeiten und erläutert spannende Details der dravänopolabischen Sprache. Sie wurde von slawischen Siedlern im Wendland gesprochen und ist bereits Mitte des 18. Jahrhunderts ausgestorben. Die Sprachbezeichnung stammt nicht von den damaligen „native speakers“, sondern wird heute vor allem in der Wissenschaft verwendet. Der Begriff „dravänopolabisch“ verweist auf die Kulturlandschaft: auf den Höhenzug Drawehn, der das Wendland im Westen begrenzt, und die Elbe im Nordosten („po“ = slawisch für „bei, längs“, „Labo“ = Elbe).
Wendland
Martin Fricke erklärt, woher der Name „Wendland“ stammt und wer ihn geprägt hat. Fricke zeichnet die Wanderung der Wenden in das heutige Wendland nach. Er schildert, wie sie gelebt, gearbeitet und woran sie geglaubt haben. Denn erst spät wurden die frühen slawischen Siedler zu Christen.
Handelsbeziehungen der Wenden
In seinem Buch „Die Wenden“ schreibt Martin Fricke über erfolgreiche wendische Händler, deren Silber bis nach Persien und Zentralasien gelangt sein soll. Im Interview erzählt er, dass neben den vier Hanse-Kontoren in London, Bergen, Brügge und Nowgorod speziell in Lübeck, dem Haupt der Hanse, auch ein wendisches Handelsquartier gegeben haben soll.
Speziell für unser Bürgerportal hat sich Martin Fricke noch einmal intensiv mit den Zusammenhängen zwischen der Hanse und den Wenden befasst und zusätzlich erläuternd folgende schriftliche Erklärung ergänzt: „Es gibt Belege dafür, dass morgenländische, griechische, west- und nordeuropäische Händler zu den mittelalterlichen Wenden vorgedrungen waren. Sie stellten die Fernverbindungen nach Süden, Westen, Norden – bis in den Orient her. Es mag auch einen Gegenverkehr gegeben haben, jedoch kenne ich keine Belege dafür, dass wendische Fernhändler bis in den Orient kamen. Es waren erfolgreiche und wagemutige orientalische und andere fremdländische Händler, die das Silber der „Welt“ zu den Wenden brachten, und nicht wendische Händler, die ihr Silber in die weite Welt hinaustrugen. Mittelalterliche Silberfunde in wendischen Siedlungsgebieten enthalten oft Münzen aus dem Morgenland und vereinzelt aus Zentralasien. Wendische Münzprägungen gab es meines Wissens nur in begrenztem Umfang im 12. und 13. Jahrhundert. Nur wenige dieser wendischen Münzen – Oldenburger und Köpenicker Münzen zum Beispiel – sind bisher gefunden worden, überwiegend im östlichen Mitteleuropa.“
Lübeck als Vorort des „Wendischen Quartiers“ der Hanse
Weiterführend erläutert Martin Fricke: „Lübeck war Vorort des „Wendischen Quartiers“ der Hanse. Dieses Teilgebiet der Hanse wurde „das Wendische“ genannt, weil es nach damaliger Wahrnehmung „im Wendischen“ lag. Es wurde weit überwiegend von westmitteleuropäischen Hanseaten geprägt. Vereinzelt mag es auch Händler wendischer Herkunft gegeben haben, die sich in den Bund hinaufgearbeitet hatten. Unter den einfachen Arbeitskräften – Gesinde, Fuhrknechte, Schiffsbesatzungen – dürfte es häufiger Menschen wendischer Herkunft gegeben haben. Nicht die Wenden hatten ein Kontor, sondern die Hanseaten des „Wendischen Quartiers“ hatten eines. In ihrer Blütezeit hatte die Hanse neun „Quartiere“. Hamburg gehörte dem „Wendischen Quartier“ an und wurde aus diesem Grund und in dieser Verbindung als „wendische Stadt“ bezeichnet.“
Erforschung und Weitergabe von Wissen
Damit die wendische Kultur weiter erforscht und im Alltag praktiziert wird, engagiert sich Martin Fricke im Wendischen Freundes- und Arbeitskreises e.V., er ist dort Kassenwart und führt die Internetseite des Vereins: www.wendland-episode1.de LehrerInnen können das Material zur Vorbereitung ihrer regionalkundlichen Unterrichtseinheiten nutzen.
Hallo,
Ich versuche den Ortsnamen Pudagla auf Usedom zu deuten.
Die wissenschaftliche Übersetzung ist
Unterhalb des Berges. Das halte ich für falsch. Meiner Meinung nach setzt sich Pudagla aus Puda und Glava zusammen. Puda bedeutet Erdhaus oder Grubenhaus. Das Verb dazu heisst pud und bedeutet graben. Das Wort Pütt als Bedeutung für Bergwerk ist erkennbar. Glava oder Glavo bedeutet anatomisch Kopf. In der Siedlungsgeschichte Erstbesiedlung.
Pudagla heisst daher eine Erstbesiedlung mit Erdhäuser
Danke für diesen tollen Beitrag. Wirklich spannend, sich die Geschichte der Wenden und anderen slavischen Völker anzuhören und anzusehen. Der Beitrag macht Lust auf mehr.….