
Griese Gegend – Elbe – Wendland: Rückblick und Ausblick
11.11.2018 · Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es zwischen dem Wendland und der Griesen Gegend? Adrian Greenwood und Ilka Burkhardt Liebig vom Rundlingsverein e.V. wagen einen Rück- und Ausblick.
Autoren: Adrian Greenwood und Ilka Burkhardt Liebig, Rundlingsverein e.V.
Gedanken zur gemeinsamen Vergangenheit, zu getrennten Entwicklungen und möglichen Verbindungen in der Zukunft
Griese Gegend und Wendland haben wohl einen gemeinsamen Nenner. Er liegt nicht in der jetzigen Landschaft, Kultur oder Sprache, sondern in der Geschichte. Zwischen 800 und 1200 gab es höchstwahrscheinlich kaum Unterschiede zwischen der Griesen Gegend und dem Wendland. Beide waren arm an Bodenschätzen, arm in der Landwirtschaft und dünn mit slawischen Wenden besiedelt. Sie teilten sich einen sandigen Streifen an der Elbe.

Siedlungsgeschichte an der Elbe
Die Elbe bildete damals einen wichtigen Handelsweg, ohne in diesem Abschnitt des Flusses große Spuren zu hinterlassen. Hier entstanden weder links noch rechts der Elbe größere Städte. Landschaft, Kultur und Sprache waren ähnlich. Die Obrigkeit war durch die Grafen von Dannenberg auch gleich aufgestellt. Die Wenden waren heidnisch bzw. noch nicht christianisiert.
Die landwirtschaftlichen Gegebenheiten waren sowohl für die Bauern im Wendland als auch in der Griesen Gegend ähnlich. Die Bewohner beider Seiten des Flusses haben sich von der Elbe ernährt. Ländereien waren oft links- und rechtselbisch gemeinsam bewirtschaftet. Auch Ehen sind oft über die Elbe hinweg entstanden. Beide Gegenden waren nach 1147 vom mittelalterlichen Landausbau betroffen. Slawische Bauern haben sich in Hunderten von geplanten Rundlingssiedlungen neu organisiert.
Getrennten Entwicklungen
Nach 1250 haben sich die beiden Gegenden langsam auseinander entwickelt. Rechtselbisch kam das Kloster Eldena ins Spiel, das Wendland hingegen hatte nie ein eigenes Kloster. In der Griesen Gegend erfolgte eine konsequente Christianisierung. Kirchenzehnt wurde verlangt, deutsche Siedler aus anderen Teilen Norddeutschlands angelockt. Die Bevölkerung der Griesen Gegend wird dadurch früh gemischt. Die Landwirtschaft erhielt ihre Prägung von größeren Vorwerken und etwas Bergbau. Die Siedlungsform der Rundlinge wurde umgeformt, größere Dörfer entstanden. Die wendische Sprache verschwand zunehmend, wobei sie sich in der Griesen Gegend länger gehalten hat als z. B. in Schleswig Holstein oder Brandenburg.

Späte Christianisierung des Wendlands
Im Wendland ist dagegen ein Dornröschenschlaf eingetreten. Die Dörfer waren zehntfrei. Die neuesten Erkenntnisse scheinen zu belegen, dass das Wendland eine der letzten Gegenden in ganz Europa war, die erst spät christianisiert wurden. Kirchen sucht man daher in den meisten Rundlingsdörfern vergebens. Mehrere kleine Rundlinge teilten sich eine Kirche. Diese lag dann aber stets außerhalb des Rundlings, nie auf dem Dorfplatz! Die Rundlingsdörfer haben sich über die Jahrhunderte in ihrer Struktur kaum verändert. Lediglich die Höfe wurden im 15. Jahrhundert in ihrer Größe geteilt. Ab diesem Zeitpunkt waren dann in der Regel doppelt so viele Höfe in einem Rundlingsdorf, teilweise sogar noch mehr.
Die wendische Sprache ist nachweislich bis Mitte des 18. Jahrhunderts erhalten geblieben. Danach wurde sie von Platt- bzw. Niederdeutsch abgelöst. Die Landwirtschaft blieb kleinteilig. Es fand kein „Bauernlegen“ statt wie anderswo. Eine Enteignung der Bauern durch Grundherren, das sogenannte
„Bauernlegen‘ “ fand im Wendland – anders in der Griesen Gegend – nicht statt.
Verbindungen in der Zukunft
Die Geschichte ist die Klammer. Die Unterschiede der jetzigen Landschaft, Kultur und Sprache zeigen die Auswirkungen von unterschiedlichen Entwicklungen bei ähnlichen historischen Wurzeln.

Kultur
Wünschenswert wäre ein Austausch über Rundlingsdörfer im Wendland und in der Griesen Gegend: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es? Warum entstanden westlich der Elbe Hallenhäuser aus Fachwerk mit Lehmgefachen und östlich der Elbe Klumphäuser aus Raseneisenstein? Warum hat die Christianisierung in der Griesen Gegend viel früher eingesetzt als im Wendland? Warum fand im Wendland kein „Bauernlegen“ statt – anders als in der Griesen Gegend?
Fahrradtouren und App
Das Wendland ist bestens geeignet für Fahrradtourismus. Es gibt wenig Verkehr und viele Verbindungsstraßen. Mit einer guten Karte kann man überall hinkommen. Unser Rundlingsverein e.V. hat eine App entwickelt (http://www.rundlingsverein.de/html/25-AG-GPS.htm) für eine Tour durch die besterhaltene Rundlinge. Die 38 Kilometer lange Rundtour startet am Lübelner Parkplatz.

Fahrradkarten
Gerade neu auf dem Markt ist eine Karte von WENDLAND.ELBE mit Flyer, sie enthält acht Fahrradtouren, zwei Autotouren und einen Stadtrundgang durch Lüchow. Auch die älteren kostenpflichtigen Fahrradkarten für die Biosphärenreservate und Naturparks sind noch gültig und die Touren bestens ausgeschildert.
Auch die Arche Region Flusslandschaft hat eine neue Karte veröffentlicht. Sie enthält Radwege beiderseits der Elbe, sowohl vom Wendland als auch von Teilen der Griesen Gegend. Diese Karte ist besonders für Freunde der Ökologie und der Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen geeignet.
Nähere Informationen für Radfahrer gibt es unter https://wendland-elbe.de/de/kategorie/aktiv-unterwegs/zu-rad/

Rechts und links der Elbe: Landwirtschaft
Früher haben die Bauern in Hitzacker, Jasebeck und anderen Dörfern ihre Kühe täglich über den Fluss transportiert, weil dort das bessere Weideland lag. Abends kamen die Kühe auf Flößen wieder nach Hause und wurden dort gemolken. Könnte man diesen Viehtransport heute symbolisch als „besonderes Ereignis“ initiieren? Gibt es heute elbübergreifende landwirtschaftliche Aktivitäten? Vorbild könnten die beiden zusammengehörenden Zwerge aus Bronze sein, die in Hitzacker sowie am gegenüberliegenden Ort in Bitter am Elbufer stehen: „Der Horcher“ („Audi“) und „Der Rufer“ („Vocatus“).
Elbübergreifende Liebe und Heirat
Nach unseren Recherchen in kirchlichen Trau-Registern haben in der Vergangenheit bis zu 20% der Ehen auf wendländischer Seite ihre Partner auf der anderen Seite der Elbe gefunden. Ließe sich heutzutage erneut eine elbübergreifende Hochzeit arrangieren, vielleicht sogar in traditioneller Heiratstracht? Selbstverständlich als Folge und Ergebnis einer echten elbübergreifenden Liebe zwischen der Griesen Gegend und dem Wendland!